Macht eine Erbausschlagung der eigenen Eltern Sinn, wenn die finanzielle Situation unklar ist? Am besten ist es mit der ganzen Familie offen über die Erbsituation zu sprechen.

Ein Erbe zu erhalten, klingt zunächst nach einer positiven Nachricht. Doch nicht immer lohnt es sich, das Erbe auch anzunehmen. Bei einer Annahme gehen nicht nur die Rechte der vererbenden Person auf die Erben über, sondern auch deren Pflichten. Die Haftung für Schulden kann einschneidende Konsequenzen für die Betroffenen haben. Deshalb ist es gerade für Familien und junge Paare wichtig zu wissen, wann es sinnvoll ist, ein Erbe auszuschlagen, um finanzielle Risiken zu vermeiden. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie vorgehen können, um sich selber und Ihre Familie davor zu schützen, Schulden zu erben.

Ein Mann und sein Kind sitzen lachend auf dem Sofa, voller Lebensfreude und sorgenfrei. Dank einer zuverlässigen Risiko- und finanziellen Absicherung bleiben unbeschwerte Momente wie diese geschützt und nachhaltig gesichert.

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Erbe ausschlagen in der Schweiz: Fristen und Vorgehen

Vorgehen

In der Schweiz gilt: Wer ein Erbe ausschlagen möchte, muss die Ausschlagung innert dreier Monate bei der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde erklären. Nach unbenutztem Ablauf dieser Frist gilt das Erbe als vorbehaltlos angenommen.
Wichtig: Wenn Sie (noch) nicht sicher sind, ob Sie das Erbe annehmen wollen oder nicht, dürfen Sie während der dreimonatigen Ausschlagungsfrist keine Handlungen vornehmen, die einer konkludenten Annahme des Erbes gleichkommen.

Fristen

Die Frist zur Ausschlagung beträgt drei Monate und beginnt:

  • für die gesetzlichen Erbinnen und Erben ab dem Zeitpunkt, an dem ihnen der Tod des Erblassers oder der Erblasserin bekannt geworden ist.
  • für die eingesetzten Erben ab dem Zeitpunkt, an welchem ihnen die letztwillige Verfügung amtlich eröffnet wird.

Erbschaft ausschlagen oder annehmen? Ihre Optionen

Manchmal ist man mit den Finanzen der oder des Verstorbenen nicht vertraut. Ob der Nachlass überschuldet ist, weiss man in solchen Situationen oft nicht. Kommt dazu, dass Behörden und Banken nur Auskunft an Personen erteilen, welche sich mittels Erbschein als auskunftsberechtigte Erben ausweisen können, wofür man wiederum erst das Erbe annehmen müsste. Eine Zwickmühle?

Nicht unbedingt! Es gibt verschiedene Wege, wie Sie sich bei ungewisser Vermögenslage auch vor einer definitiven Erbannahme ein Bild über die finanziellen Verhältnisse der Erblasserin oder des Erblassers verschaffen können:

Ist unsicher, ob der Nachlass überschuldet ist, kann im Kanton Thurgau von den gesetzlichen Erben eine Auskunftsbescheinigung beantragt werden. Diese erlaubt Ihnen, Auskünfte über die Vermögenswerte und Schulden der oder des Verstorbenen bei Banken, Behörden etc. einzuholen, ohne bereits einen Antrag auf Ausstellung eines Erbscheins stellen zu müssen. So können Sie fundierter entscheiden, ob Sie das Erbe annehmen oder ausschlagen wollen.

Sind die finanziellen Verhältnisse weiterhin unklar, können Sie innerhalb von einem Monat ab Kenntnis des Todesfalls bzw. bei den eingesetzten Erben seit der amtlichen Mitteilung über die Erbberechtigung von der zuständigen Behörde die Aufnahme eines sogenannten «öffentlichen Inventars» verlangen. Dabei werden alle Vermögenswerte wie Immobilien, Bankkonten, Wertpapiere, Fahrzeuge, Schmuck, Kunstgegenstände etc. zum aktuellen Verkehrswert sowie sämtliche Schulden der oder des Verstorbenen aufgelistet. Die Gläubiger werden öffentlich via Amtsblatt oder Tageszeitung ersucht, ihre Forderungen innert Monatsfrist anzumelden.

Ein öffentliches Inventar verursacht meist hohe Kosten, die Sie vorab selbst tragen müssen. Diese entstehen insbesondere für Verkehrswertschätzungen durch Expertinnen und Experten (z.B. bei Immobilien), für ausserordentliche Bankauszüge, Gutachten von Sachverständigen (z.B. für Kunstobjekte) und amtliche Publikationen. Die Kosten bewegen sich erfahrungsgemäss zwischen mehreren hundert und mehreren tausend Franken, abhängig von Umfang und Komplexität des Nachlasses. Sobald das Inventar abgeschlossen ist, haben Sie einen umfassenden Überblick über die finanzielle Situation und können innerhalb eines weiteren Monats endgültig entscheiden, ob Sie das Erbe annehmen (vorbehaltlos oder unter öffentlichem Inventar) oder ausschlagen möchten. Zusätzlich oder alternativ haben Sie auch die Möglichkeit, die amtliche Liquidation zu verlangen..

Bei unübersichtlichen Vermögensverhältnissen haben Sie nebst der Erbschaftsannahme bzw. Erbschaftsausschlagung auch die Möglichkeit, bei der zuständigen kantonalen Behörde, am letzten Wohnsitz der Erblasserin oder des Erblassers, eine amtliche Liquidation zu beantragen. So behalten Sie sich das Recht vor, von einem allfälligen Überschuss profitieren zu können, ohne dabei das Risiko eingehen zu müssen, mit dem eigenen Vermögen für Schulden der Erblasserin oder des Erblassers zu haften. Diesen Haftungsausschluss erkaufen Sie sich allerdings mit der Preisgabe der Erbschaftsobjekte an die für die Liquidation zuständige Behörde. Im Rahmen der amtlichen Liquidation werden alle Vermögenswerte und Schulden der oder des Verstorbenen professionell geprüft, bewertet und gegenübergestellt. Anschliessend werden die verbleibenden Erbschaftssachen durch Verkauf oder Versteigerung liquidiert und Verbindlichkeiten beglichen. Ein allfälliger Überschuss geht dann zu Gunsten der Erben.

Beachten Sie, dass eine amtliche Liquidation stets proaktiv beantragt werden muss.

  • Was passiert, wenn mehrere Erben vorhanden sind? 
    Voraussetzung für eine amtliche Liquidation ist, dass keiner der Erben die Erbschaft annimmt. Erklärt eine einzige Miterbin oder ein einziger Miterbe die Annahme der Erbschaft, kann dem Begehren nach einer amtlichen Liquidation nicht entsprochen werden.
  • Was, wenn nach der amtlichen Liquidation Vermögen übrig bleibt? 
    Im Falle eines Nettovermögens erhalten Sie als Erbin oder Erbe, welche oder welcher die amtliche Liquidation beantragt hat, diesen Restbetrag ausbezahlt. Das gilt nicht für Erben, welche das Erbe ausgeschlagen haben.
Unterschied zum öffentlichen Inventar:

Anders als beim öffentlichen Inventar, welches den Erben zur Entscheidungsfindung dient, ob sie das Erbe annehmen oder ausschlagen wollen, verzichten die Erben bei der amtlichen Liquidation auf die Kontrolle über einzelne Nachlassgegenstände, sodass die für die amtliche Liquidation zuständige Behörde sämtliche Erbschaftsobjekte ohne Einflussnahme durch die Erben versilbern kann und die Erben nur noch eventuelle Restbeträge erhalten.

Wenn Sie als Erbin oder Erbe sich sicher sind, dass die finanziellen Verhältnisse des Nachlasses ungünstig sind, dann haben Sie die Möglichkeit, das Erbe komplett abzulehnen, und Sie verzichten damit auf alle Rechte und Pflichten in Zusammenhang mit der Erbschaft.

Vor- und Nachteile einer Erbausschlagung in der Schweiz

Beachten Sie, dass die Vorteile einer Erbausschlagung nur bei den unvorteilhaften Erbschaften gelten. Beim grössten Teil der Nachlässe, die nicht überschuldet sind, treffen diese nicht zu.

Folgen einer Erbausschlagung

Durch das Ausschlagen verzichten Sie verbindlich und unwiderruflich auf Ihren gesamten Erbanspruch. Bei gesetzlichen Erben vererbt sich deren Anteil, wie wenn sie den Erbfall nicht erlebt hätten. Das heisst, die Erbenstellung geht automatisch auf allfällige Nachkommen über. Für den Fall, dass eine eingesetzte Erbin oder ein eingesetzter Erbe ausschlägt, geht ihr oder sein Anteil an die gesetzlichen Erben, sofern keine Ersatzerbin oder kein Ersatzerbe bestimmt wurde. Nach der Ausschlagung besteht keine Haftung mehr für Schulden oder Verpflichtungen der Erblasserin oder des Erblassers, es sei denn, eine Erbin oder ein Erbe hätte innerhalb der letzten fünf Jahre Vermögenswerte erhalten, welche bei der Erbteilung der Ausgleichung unterliegen.

Weitere Folgen sind:

  • Kein Einfluss auf die Nachlassabwicklung: Sie können keine Entscheidungen mehr über das Nachlassvermögen treffen.
  • Keine Möglichkeit auf spätere Ansprüche: Sie verlieren jeglichen Anspruch auf später entdeckte Vermögenswerte des Nachlasses.
  • Verzicht auf persönliche Erinnerungsstücke: Auch auf emotionale Familien-Erbstücke wie persönliche Gegenstände der oder des Verstorbenen haben Sie kein Anrecht mehr.

Wann lohnt sich das Ausschlagen der Erbschaft?

Das erklären wir Ihnen gerne anhand zweier Beispiele aus der Praxis.

Beispiel 1 mit Marc: 

Familienvater Marc erbt nach dem Tod seines Onkels hohe Schulden. Durch die Erbausschlagung schützt er sich und seine Familie vor einer finanziellen Belastung.

Beispiel 2 mit Lara:

Lara erbt eine Immobilie, die stark renovierungsbedürftig ist. Die zu investierenden Kosten wären extrem hoch und schwer abschätzbar. Sie entscheidet sich für die Ausschlagung, da die finanziellen Risiken den wirtschaftlichen Nutzen der Liegenschaft übersteigen.


In beiden Fällen zeigt sich, dass die Ausschlagung der Erbschaft dann besonders sinnvoll ist, wenn die Risiken und Verpflichtungen den möglichen Nutzen klar überwiegen. Eine sorgfältige Prüfung und fachliche Beratung sind dabei unerlässlich.

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Quick-Tipps für eine gute Entscheidung

1.

Prüfen Sie sofort die finanzielle Situation des Nachlasses.

2.

Lassen Sie sich bei Verdacht auf Überschuldung fachkundig beraten.

3.

Handeln Sie schnell, um keine Fristen zu verpassen.

Spezialfall: Vermächtnis – risikolos annehmen

Neben der klassischen Erbschaft gibt es auch das sogenannte Vermächtnis. Mit einem Vermächtnis wendet die Erblasserin oder der Erblasser in einer letztwilligen Verfügung einer Person – der sog. Vermächtnisnehmerin oder des Vermächtnisnehmers – einen bestimmten Gegenstand oder Betrag zu. Im Unterschied zu den Erben werden Vermächtnisnehmende nicht Teil der Erbengemeinschaft und haften somit auch nicht für allfällige Schulden der verstorbenen Person. Ein Vermächtnis kann daher bedenkenlos angenommen werden. Selbst wenn der Nachlass überschuldet ist, kann die Vermächtnisnehmerin oder der Vermächtnisnehmer nicht für die Schulden der Erblasserin oder des Erblassers haftbar gemacht werden.

Ein weiterer Vorteil: Die Ausschlagung eines Vermächtnisses ist nicht an die dreimonatige Ausschlagungsfrist der Erbschaft gebunden und muss nicht protokolliert werden.

Beispiel für den Umgang mit einem Vermächtnis:

Rita erhält von ihrer verstorbenen Patin ein Vermächtnis – eine wertvolle, goldene Halskette. Diese kann sie bedenkenlos annehmen, da sie als Vermächtnisnehmerin keine Haftung für eventuelle Schulden der Patin übernimmt. Sollte Rita die Halskette dennoch nicht wollen, kann sie das ihr hinterlassene Vermächtnis auch ohne Frist und ohne formellen Aufwand ausschlagen.

Schulden erben? Nein! Handeln schützt Sie und Ihre Liebsten

Ein Erbe auszuschlagen, kann sinnvoll sein, besonders bei Schulden oder finanziellen Risiken. Denken Sie daran: Wichtig ist, schnell und gut informiert zu entscheiden.

Ein glücklicher Mann steht am Fenster, gestärkt durch eine fundierte Erbschaftsberatung, die ihm Sicherheit und eine vorausschauende Planung für die Zukunft ermöglicht.
Erbschaftsberatung - den eigenen Willen regeln

Eine frühzeitige Nachlassplanung sorgt später für eine geregelte Erbteilung in Ihrem Sinne. Lassen Sie sich von den Expertinnen und Experten aus dem TKB Pensionszentrum rund um Ihre Erbschaftsfragen beraten.

Christian Küng
Senior Erbschaftsberater

Christian Küng, Senior Erbschaftsberater und Experte im TKB Pensionszentrum, stand dem Redaktionsteam bei diesem Artikel mit seiner Fachexpertise zur Verfügung. Christian ist seit Anfang 2025 bei der TKB und führt im Auftrag der TKB-Kundenberaterinnen und TKB-Kundenberater umfassende Beratungen im Ehegüter- und Erbrecht sowie bei Erbteilungen durch. Zudem erstellt er Ehe- und Erbverträge, Vorsorgeaufträge sowie Erbteilungsverträge. Als zuverlässiger Sparringpartner unterstützt er die Kundenberaterinnen und Kundenberater ausserdem in Fachfragen zum Thema Ehegüter- und Erbrecht und begleitet sie bei Bedarf zu Kundengesprächen. In seiner Freizeit verbringt Christian sehr gerne Zeit mit seiner Frau und seinen zwei Kindern. Gemeinsam unternehmen sie viele Reisen und erkunden die Welt. Nebst seiner Familie schlägt sein Herz auch für den Fussball.