(Halb)starker Franken

Januar 2023 | Der Euro-Wechselkurs wird derzeit kaum thematisiert, obwohl er seit 2018 mehrheitlich nachgab. Der Hauptgrund: Die deutlich höhere Inflation im Ausland dämpft den Aufwertungsdruck des Frankens.

Der Franken wertet auf – und niemanden interessiert es. So meint zumindest, wer in den vergangenen Monaten die Berichterstattung in den Medien verfolgte. Ab Juni 2022 gab der Euro-Wechselkurs stark nach und sank Anfang Juli unter die Parität. Es war dies das erste Mal überhaupt – mit Ausnahme eines kurzen Tauchers nach der Aufhebung des Mindestkurses von 1.20 Franken pro Euro im Januar 2015.

Damals, nach dem historischen Entscheid der Schweizerischen Nationalbank, war der Leidensdruck bei den Unternehmen ungleich grösser. Die Wirtschaft fand sich in einer Schockstarre. Sie hatte gegenüber der Konkurrenz im europäischen Ausland auf einen Schlag einen Preisnachteil von 20%. Die Wechselkurse prägten die mediale und öffentliche Debatte über Wochen. Heute ist die Situation aus zwei Gründen anders gelagert: Die Aufwertung ist kontinuierlich und primär nominal.



Nominal wertet sich der Franken auf

EUR/CHF

Quelle: Europäische Zentralbank (EZB)

Euro-Wechselkurs als Innovationstreiber

Seit der Mindestkursaufhebung gab es keine schockartigen Bewegungen des Euro-Wechselkurses. Die Unternehmen konnten sich der Situation anpassen. Sie sahen und sehen sich gezwungen, mit Innovationen und Effizienzsteigerung wettbewerbsfähig zu bleiben – und profitieren davon langfristig.

Besonders gut gelingt dies jenen Unternehmen, die eine Marktführerposition innehaben und sich über ihre Produkte oder Dienstleistungen klar von der Konkurrenz abheben. Eine Differenzierung im internationalen Wettbewerb über den Preis ist im Hochlohnland Schweiz hingegen kaum möglich.


Inflation relativiert Frankenaufwertung

Der Blick auf den nominalen Euro/Franken-Wechselkurs greift ohnehin in mehrerlei Hinsicht zu kurz. Erstens wird der Wechselkurs zum Euro gerne stellvertretend für die Stärke des Frankens herangezogen. Tatsächlich ist die EU die mit Abstand wichtigste Handelspartnerin der Schweiz, der Blick auf den Euro lohnt sich besonders. Doch er ist nur begrenzt aussagekräftig, wenn die Deviseneffekte auf die Exportwirtschaft vollumfänglich erfasst werden sollen. Schweizer und Thurgauer Unternehmen exportieren in die ganze Welt. Sehr viel aussagekräftiger ist deshalb der «handelsgewichtete» Wechselkurs. Dieser spiegelt die Kursbewegungen gegenüber sämtlichen Währungen der Schweizer Handelspartner, gewichtet nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für die Schweiz.

Zweitens verzeichneten die wichtigsten Exportpartner in den vergangenen Monaten wesentlich höhere Inflationsraten als die Schweiz. Im November lag die Teuerung in Deutschland bei 11.3%, in den USA bei 7.1% und in der Schweiz bei vergleichsweise tiefen 3.0%. Auch die Produzentenpreise, also die Preise von im Inland hergestellten Waren, sind im europäischen Ausland zuletzt deutlich stärker gestiegen als in der Schweiz. Ausländische Unternehmen heben ihre Preise im Durchschnitt also stärker an als Schweizer Unternehmen. Das bedeutet, dass Schweizer Produkte beispielsweise im Vergleich zu deutschen Produkten relativ gesehen günstiger werden. Die Inflation dämpft also die Aufwertung des Frankens. Die SNB intervenierte deshalb deutlich zurückhaltender am Devisenmarkt und liess eine Aufwertung zu.



Real und handelsgewichtet wertet sich der Franken ab
Handelsgewichtet, korrigiert um Inflationsdifferenzen zum Ausland
(Index: 02.01.2012 = 1)

Quelle: Schweizerische Nationalbank (SNB)

Währungsabsicherung bleibt zentral für exportorientierte Unternehmen

Trotz dieser Relativierungen ist es für exportorientierte Unternehmen wichtig, proaktiv Währungsabsicherungsstrategien zu erarbeiten. Mögliche Lösungsansätze sind die Währungsabsicherung über Finanzprodukte oder die Berücksichtigung von Natural Hedging. Dabei haben international aufgestellte Unternehmen beispielsweise die Möglichkeit, sich mit Standorten in verschiedenen Märkten natürlich gegen Währungsschwankungen abzusichern. Standortgebundene Exportbranchen wie Teile der Hotellerie sind von einer Aufwertung des Frankens hingegen sehr direkt betroffen.

Jüngste Prognosen deuten darauf hin, dass die Inflation kurzfristig nicht mehr stark ansteigen wird, mittelfristig aber erhöht bleiben dürfte. Weitere Zinsschritte der Notenbanken sind zu erwarten. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass es zu einer weiteren (nominalen) Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro kommt, zumal der Franken in unsicheren Zeiten von den internationalen Investoren als sicheren Hafen stark gesucht wird. Eine starke reale Aufwertung ist unter den aktuellen Umständen hingegen kaum zu erwarten.

Dieser Artikel wurde durch die IHK St.Gallen-Appenzell in Zusammenarbeit mit der Thurgauer Kantonalbank erstellt. Die Onlinepublikation wird auf der TKB-Webseite veröffentlicht und kann als Newsletter abonniert werden: Newsletter Wirtschaft Thurgau

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